“In God we trust, all others bring data”
NASA
Dieses inoffizielles Motto der NASA, geht auf W. Edwards Deming zurück, der das moderne Qualitätsmanagement mitbegründete. Obwohl dieser Satz schon über ein halbes Jahrhundert alt ist, ist er heute so aktuell wie noch nie – auch im Controlling: Geschätzte 90 % der weltweit existierenden Daten wurden in den letzten zwei Jahren produziert und die Menge aller Geschäftsdaten verdoppelt sich ca. jedes Jahr. Solche Schätzungen sind natürlich per se nur schwer überprüfbar, aber sie zeigen den augenscheinlichen Trend, den man heute Big Data nennt. Das Konzept Big Data bezieht sich allerdings nicht nur auf große Datenmengen, sondern auf die vier Vs:
- Volume: Große Datenmengen
- Velocity: Schnellere Datenströme (Velocity)
- Variety: Zunehmend unstrukturierte Daten & unterschiedliche Datenquellen
- Veracity: Ungewissheit über die Wahrhaftigkeit der Daten
Die Kunst für Unternehmen in diesem Kontext ist es, ihre gordischen Datenknoten zu zerschlagen und aus ihren Daten wertvolle Informationen zu gewinnen, die zu konkretem Handlungswissen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen führen. An genau dieser Stelle setzt das Controlling an: Als Rationalitätssicherung des Managements und Hüter:in der Zahlen laufen viele Daten und Fakten beim Controlling zusammen und bilden dort ein Abbild der ökonomischen Umwelt des Unternehmens. Dabei handelt es sich klassischerweise um Finanzkennzahlen – z. B. den Umsatz oder die Kosten betreffend –, aber auch um qualitative Kennzahlen der strategischen Unternehmenssteuerung wie bspw. Fehlzeitenquote oder Abwanderungsrate im Rahmen des Personalcontrollings oder auch im Rahmen der Entwicklungsperspektive einer Balanced Scorecard.
Moderne Analysemethoden ermöglichen frühzeitigere und zielgerichtetere Analyse
Doch die Annahme, dass die neuen Daten für das Controlling keine große Veränderung bedeuten, da es bereits eng mit der Datenauswertung verknüpft ist, ist unzutreffend. Viele Controlling-Instrumente wurden basierend auf wenigen aggregierten Daten entwickelt. Prognosen werden so z. B. oftmals nur aus einer überschaubaren Zahl an bereits verdichteten Kennzahlen abgeleitet. Mit dem Vorhandensein von detaillierten Datenquellen wie Transaktionsdaten wird zunehmend die Nutzung von Rohdaten, die noch nicht zu Kennzahlen zusammengefasst sind, möglich. Auf dieser Grundlage ist der Einsatz von modernen Analysemethoden (z. B. aus der Statistik, dem Machine Learning oder der Künstlichen Intelligenz) möglich, um Muster in den Zahlen zu erkennen und so noch frühzeitiger und zielgerichteter reagieren zu können. Die im Controlling übliche Verdichtung zu aggregierten Kennzahlen erlaubt dies – selbst bei Frühwarnindikatoren – typischerweise nicht in diesem hohen Detailierungsgrad.
Von Controller:innen werden in Zukunft (informations-)technische Kompetenzen erwartet
Um die Umstellung von Top-Down (vom Allgemeinen ins Einzelne) zu Bottom-Up (vom Einzelnen zum Allgemeinen) zu bewerkstelligen, benötigen Controller:innen allerdings neue Kenntnisse und Fähigkeiten. Zwecks Auswertung der Daten mit modernen Methoden der Künstlichen Intelligenz oder des Data Science, müssen sich Controller:innen zunehmend mit dem Datenmanagement, also der Verwaltung und Governance der Daten beschäftigen, um deren Herkunft und Qualität hinreichend steuern zu können. Von Controller:innen werden in Zukunft zudem noch weitere (informations-)technische Kompetenzen erwartet, um die Auswertung mit entsprechenden Algorithmen und Verfahren zu unterstützen bzw. selbst zu implementieren. Sind heute Statistik und Programmierfähigkeiten in Controlling-Abteilungen ein Nice-to-Have, das bei der Analyse hilft oder bestimmte manuelle Verarbeitungsschritte vereinfachen kann, wird es in Zukunft als wichtige Kernkompetenz zum Must-have werden.
Die Digitalisierung führt zudem zur Automatisierung einzelner klassischer Controlling-Aufgaben wie bspw. das Standardreporting. Anstelle von manuell erstellten Reports verlangt das Management verstärkt nach digitalen Möglichkeiten wie z. B. Dashboards, um sich stets tagesaktuell selbst informieren zu können. Zwar verliert das Controlling dadurch Routineaufgaben, wird aber als Fachabteilung gemeinsam mit der IT die Umsetzung dieser digitalen Lösungen verantworten.
Der/die Controller:in wird zum Business Partner
Die Automatisierung der Datenaufbereitung und der grundlegenden Informationsfunktion des Controllings, die immer noch viel Zeit in Anspruch nimmt, ermöglicht die Weiterentwicklung des Controllers bzw. der Controllerin zu einem neuen Leitbild: dem Business Partner. Als Business Partner berät der/die Controller:in das Business Management in der Entscheidungsfindung und bietet neben Analysen auch Alternativen und Handlungsoptionen an. Insbesondere im modernen Paradigma der Data-driven Organization werden Entscheidungen nicht mehr basierend auf Bauchgefühl oder persönlicher Erfahrung der Managerin oder des Managers getroffen, sondern auf der Grundlage von Zahlen, Daten und Fakten – ganz im Sinne des Pioneers der Managementlehre Peter Drucker: “you can’t manage what you can’t measure”. Für die Entscheidungsvorbereitung und Nutzbarmachung der Daten ist das Controlling prädestiniert, weil sich dort idealerweise Geschäftskenntnis, betriebswirtschaftliche Expertise und methodisches Fachwissen vereinen.
Digitale Transformation geht mit agiler Transformation einher
Als wäre dieser Wandel nicht schon genug, kommt einhergehend mit der digitalen Transformation auch die agile Transformation, also der Wandel zur flexiblen, antizipativen und reaktiven Organisation, weil sich die entstandenen Erwartungen an bspw. Kundennähe, Time-to-Market und Innovationsfähigkeit so besser erfüllen lassen. In vielen Unternehmen werden daher zurzeit hierarchische Strukturen aufgebrochen und dezentrale Strukturen geschaffen. Darüber hinaus wandeln sich die Betriebe vom plangetriebenen hin zu einem visionsgetriebenen Management. In diesem Umfeld muss sich auch das Controlling neu positionieren und bewerten, inwieweit eine Mittelfristplanung über mehrere Jahre mit einem agilen Umfeld überhaupt vereinbar ist. Zur Lösung dieses Konflikts muss das Controlling neue Prozesse sowie eine neue Kultur entwickeln, die es zulässt, den Weg zur Erfüllung der Vision unter Zulassung von Unsicherheiten aktiv zu steuern, anstelle – salopp gesagt – nur deterministisch Soll- und Ist-Zahlen zu vergleichen.
Controller:innen sollten sich entsprechend weiterbilden
Controller:innen kann man daher empfehlen, sich nicht nur auf die klassischen Controlling-Instrumente zu fokussieren, die weiterhin ihren Platz in der Unternehmenssteuerung haben werden, sondern sich durch Weiterbildung in Richtung Informationstechnik und Datenmanagement, Statistik und Data Science sowie agile Methoden und Praktiken auch für die kommenden Veränderungen des Berufsbilds zu rüsten. Trotz aller Dynamik wird die Unternehmenssteuerung weiterhin eine wichtige Rolle in Unternehmen spielen – durch die neuen Möglichkeiten und Chancen sowie durch die Erweiterung durch die modernen Methoden vielleicht sogar eine noch wichtigere als in der Vergangenheit.